Seems it never rains in…

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… (southern) Utah/Arizona/Nevada/California…  Na gut, im Yosemite-Park sind ein paar Regentropfen heruntergefallen, aber das ist nun wirklich nicht der Rede wert.

Aber damit wären wir beim Thema: Wir haben’s geschafft, die Wüste liegt hinter uns, wir sind nicht durch das Death Valley gefahren, und mittlerweile befinden wir uns wieder mitten in den Bergen, in einem dichten Wald aus Nadel- und Laubbäumen, genauer gesagt im Herzen des Yosemite-Nationalparks. Wir haben sogar nochmal schneebedeckte Berggipfel gesehen. Aber, wie immer, von Anfang an. Also, und bitte mit Elvis-Stimme fragen: Wie war Las Vegas?

Las Vegas war für uns der sichere Hafen, den wir nach einer Woche Hitze, Durst und Schlafmangel dringend gebraucht haben. Wie auch immer man die Stadt nennen mag, die Lichterstadt, die „Sin-City“, für uns bedeutete sie vor allem ein sehr bezahlbares Hotel, ein weiches Bett und gekühlte Getränke an jeder Ecke.  Wir sind übrigens im Plaza abgestiegen, ein traditionsreiches Haus, vielen bekannt aus Filmen wie „Zurück in die Zukunft“, Teil 2. Die Hotels sind hier natürlich deshalb so billig, damit man viel Geld für Gambling und andere Vergnügungen ausgibt, aber da haben die feinen Casinobesitzer nicht mit uns standhaften Deutschen gerechnet, wir haben nämlich keinen einzigen Cent in die einarmigen Banditen dieses Sündenpfuhls eingeworfen, ha!

Stattdessen haben wir uns noch einen zweiten Tag bzw. eine dritte Nacht im Hotel gegönnt, der erste Tag war nämlich schon komplett mit Ausschlafen, Duschen und Chillen gefüllt.

Der zweite Tag war dann sozusagen der echte Urlaubstag in Las Vegas, den wir aber auswärts verbracht haben, wir sind nämlich mit einem Uber etwa zwanzig Meilen durch die Wüste nach Süden gefahren, haben uns beim Rausgucken gefragt, wer zur Hölle mit einem Fahrrad durch diese Gegend fahren sollte und sind schließlich in der Nähe von Boulder-City am Hoover-Damm ausgestiegen.

Hierbei handelt es sich um einen großen Staudamm, der den Colorado-River zum Lake Mead aufstaut, einem gigantischen Stausee, der einen großen Teil des amerikanischen Südwestens mit Wasser und insbesondere Los Angeles mit Strom versorgt. Las Vegas selbst bezieht seine Energie übrigens aus natürlichen Gasvorkommen, wie wir mittlerweile wissen. Der Stausee ist aktuell nur noch zu etwa zwei Dritteln gefüllt, ganz voll war er zuletzt vor knapp zwanzig Jahren. Der Stromhunger und das explosive Wachstum von LA sind angeblich der Hauptgrund dafür.

Der Staudamm selbst ist eine architektonische und ingenieurstechnische Meisterleistung aus den 1930er Jahren, und wer den Sherman-Damm aus GTA San Andreas kennt, kann sich *exakt* vorstellen, wie es hier aussieht. Wie laufen über die Ringmauer, betrachten die gigantischen Schlünder der Überlaufkanäle, gucken in den Canyon hinab, wo der Colorado, nachdem er seine unvorstellbare Kraft an die Maschinen der Menschen abgegeben hat, weiterfließen darf. Dabei verzehren wir eine amerikanische Variante des bei uns beliebten Nucki-Nuss-Eises; schmeckt fast genauso, ist aber etwa so groß wie ein frisch gegrillter Hühnerschenkel auf dem Volksfest und ersetzt mehr als eine vollwertige Mahlzeit. Dann machen wir noch eine Führung ins Innere des Dammes, bewundern die Dimensionen der Generatoren. American engineering, Baby!  Zurück wollen wir trampen, weil die Hinfahrt schon teuer genug war und es außerdem viel schwieriger ist, einen Uber zurück in die Stadt zu finden als hinaus. Veikko spricht jovial eine ältere Dame an, die mit ihrer Enkelin einen Roadtrip macht, und nachdem die Enkelin versprochen hat, dem Opa nicht zu verraten, dass Carol zwei Tramper mitgenommen hat, dürfen wir einsteigen und werden wieder fast bis vor unser Hotel gefahren. „You don’t hurt me, I don’t hurt you“, das ist der Deal. Das hat wirklich super geklappt!

Abends wollen wir noch auf den New Strip schauen. Der Old Strip, bekannt aus vielen Filmen der 60er und 70er Jahre, hat nicht mehr viel von dem alten Charme, den ich mir erwartet hatte. Nachdem die großen Themen-Hotel-Casinos (Caesars Palace, Circus Circus, Treasure Island, Mirage usw.) Anfang der 90er etwas außerhalb von Downtown Las Vegas entstanden, schwand das Interesse an den vergleichsweise kleinen, heute fast schon beschaulichen Casinos in der „Altstadt“. Um dem entgegenzuwirken, wurde der gesamt Old Strip mit einer Art Tonnengewölbe aus Blech überzogen, in dem ständig Light- und Lasershows laufen und dazu ohrenbetäubende Musik dröhnt.

Eine Zipline ist über die gesamte Länge der Straße gespannt und Leute zischen johlend über unseren Köpfen hinweg. Straßenkünstler und leicht bekleidete Damen animieren zum Alkoholgenuss. Das ist nun wirklich nichts für uns. Stattdessen erfreuen wir uns an den tanzenden Wasserfontänen vor dem berühmten Bellagio-Hotel, dazu laufen Balladen von Celine Dion. Las Vegas kann auch ganz anders!

Außerdem geraten wir noch zufällig in riesige Fahrradcrowd, eine Wednesday-Night-Bicycle-Tour, hunderte Radler*innen, die kreuz und quer durch die Stadt cruisen, dazu kommt aus vielen Bluetooth-Boxen Rapmusik (Cloud- oder Mumble-Rap) oder andere Sachen, die die Kids heute so mögen. Es ist ein großer Fez und wir sind endlich mal nicht allein mit unseren Fahrrädern auf der Straße.

Fazit: Las Vegas war, gänzlich entgegen meinen Erwartungen, eine klasse Station auf unserer Radtour, und nachdem wir am Nachmittag unseres letzten Tages noch am Pool auf der hoteleigenen Dachterrasse gechillt haben, fühlen wir uns auch wieder voll und ganz bereit, den letzten Abschnitt der Wüste anzupacken.

Der Weg führt nach Nordwesten, Richtung Tonopah. Es hätte auch noch zwei andere Optionen gegeben, nämlich einerseits durchs Death Valley zu fahren, davon wurde uns aber von allen Seiten dringendst abgeraten, und wir sind vielleicht nicht besonders schlau, weil wir überhaupt während dieser Jahrezeit hier in der Wüste mit dem Fahrrad umherfahren, aber wir sind zumindest auch nicht komplett bescheuert. Die andere Option wäre gewesen, das „Tal des Todes“, was noch dramatischer für das deutsche Ohr klingt, im Süden zu umfahren, dort wären die Ortschaften aber noch weiter auseinander gewesen und außerdem wären wir dann zwangsläufig über weite Strecken wieder auf der Interstate 15 gelandet, mit der wir nur schrecklich unangenehme Erinnerungen verbinden (vgl. dazu folgenden Blogeintrag: Ruth, V.: „Amerika, das Land der begrenzten Möglichkeiten“. Las Vegas, 2022). Außerdem hat uns der versoffene Alte in der Bar in Beaver-Dam mit rauchig-kehliger Nuschelstimme gesagt: „I would go north. Don’t go south. There’s nothing. I would go north.“ Wir sind zwar recht sicher, dass er nicht ganz umrissen hat, was wir eigentlich wirklich vorhaben, aber anyway: Wir gehen north, der Alte hat gewonnen. Und konkret heißt das, dass wir ein Städtchen namens Pahrump ansteuern, gute 120 km über einen kleinen Pass.

Nach der ersten Tankstelle (kalte Limo, „Slush“ oder, mein aktuelles Lieblingsgetränk, Canada Dry Ginger Ale) fahren wir bergauf, und es ist nach fast zwei Wochen Wüste und strenger Hitze unter einer erbarmungslosen Sonne (etwa so, als würde man an einer geöffneten Backofentür vorbeifahren, Umluft plus Ober-/Unterhitze) kaum zu fassen: Wir haben kühlen (!) Rückenwind (!)! Geht’s noch? Allerdings geht es, denn oben an der Passhöhe wartet eine Kneipe mit einem schattigen Biergarten und kalten Getränken auf uns. Wir können die Welt um uns herum kaum begreifen, doch es ist wahr, wir scheinen den beschwerlichen Teil der Reise gerade hinter uns zu lassen. Dann folgt eine lange Abfahrt, und wir landen bei Arika und Bill, ein Halb-Geschwisterpaar um die 50 oder 60, mit denen wir endlich mal wieder über die Warmshowers-Community in Kontakt gekommen sind und die uns herzlich zur Übernachtung aufnehmen, inkl. Einladung ins örtliche Steak-House.

Bill ist im Los Angeles der 70er Jahre aufgewachsen, als kleiner Bruder einer deutlich älteren Schwester, die als Photographin in der Musikszene aktiv war. Deswegen war Bill nicht nur backstage bei allen großen Bands dieser Zeit, sondern hat auch mit Jim Morrison von den Doors bei ihm zuhause zu Mittag gegessen. Angeblich war Jim ein ganz normaler Typ, das kann man ja kaum glauben. Und unsere bevorstehende Route betreffend gibt’s noch jede Menge Tipps und Insider-Informationen on top.

Alles sieht gut und machbar aus, die Temperaturen, der Wind und die ansteigenden Höhenmeter, die aus dem Hitzekessel herausführen, sprechen für uns und uns gut zu. Wir wollen aber zu diesem Zeitpunkt dem Braten noch nicht recht trauen und werden deshalb  auch nicht übermütig: Die Ortschaften und/oder Gasstations sind immer noch ziemlich weit voneinander entfernt, und wir sind immer noch in der Wüste, also planen wir mit Bedacht und mit Orux bzw. Google Maps, und arbeiten uns immer weiter nach Nord-Nord-West, gegen den Uhrzeigersinn um’s Detah Valley herum. Auf einer langen Abfahrt habe ich meinen zweiten Platten dieser Tour, diesmal ist es kleines, gebogenes Stück Draht, vermutlich von einem zerstörten Autoreifen.

Es ist eigentlich fast unglaublich, dass wir nicht noch viel mehr platte Reifen hatten bisher, wenn man sich mal anguckt, wieviel Schrott und Müll hier auf den Seitenstreifen liegt: Metalllteile, Draht, Scherben, abgerissene Zurrgurte und Ratschen, Schraubenschlüssel, Werkzeug, Blech, Nägel, Schrauben, Muttern, Schraubenzieher, halbe Windschutzscheiben, you name it. Wenn wir alles unterwegs aufgesammelt hätten, könnten wir in San Francisco einen kleinen, gut sortierten Eisenwarenhandel eröffnen und uns damit ein neues Leben an der Westküste aufbauen, fern von der Kontrolle der Krone und… aber ich schweife ab.  Der Wind meint es heute dafür sehr gut mit uns, fast schon zu gut: Wir erreichen unser Tagesziel, einen kleinen Quellteich mit Nicht-Giftwasser, bereits um 4 pm. Viel zu früh, um hier schon Nachtlager aufzuschlagen, außerdem bläst der Wind unangenehm stark, aber dafür in unsere Richtung. Also entscheiden wir uns, noch ein Stück hinter Beatty weiterzufahren, wie durch ein Wunder durch ein grünes, saftiges Tal, und wir finden mit Hilfe des Internets, des „International Network“, einen kostenlosen Campingplatz, der von einer Clique hiesiger Mountainbiker betrieben und gepflegt wird (wobei hiesig hier vermutlich ein Einzugsgebiet von 100 Meilen in jede Richtung meint). Es gibt hier sogar echte  Toiletten und Duschen! Irre!

Wir lassen natürlich eine großzügige Spende da, obwohl der Wind in der Nacht so stark und ohrenbetäubend war, dass ich kaum 1 Auge zugetan habe und Veikko sogar in der Besenkammer schlafen musste. Das Leben on the Road ist schon oft nicht einfach.

Durch die ganze Aktion und den am nächsten Tag weiterblasenden Rückenwind werden wir unser nächstes Ziel, Tonopah, eine etwas größere Stadt am Highway 95, schon am heutigen Abend erreichen, einen Tag früher als eigentlich gedacht. Dabei wollten wir es doch langsam angehen lassen, aber die Wüste macht mit uns, was sie will. Wir fahren über den mäßig bis stärker befahrenen Highway nach Norden, kommen durch die moderne Geisterstadt Goldfield, eine Boomtown des frühen 20. Jahrhunderts, entstanden, als hier viel Gold gefunden wurde, eingegangen, als hier kein Gold mehr gefunden wurde, machen Mittagspause und betrachten das Goldfield-Hotel, vor hundert Jahren eins der mondänsten und fancyesten Hotels der ganzen USA und außerdem Drehort von „Vaishing Point – Fluchtpunkt San Francisco“.

Von einem Barbesucher, der einem Tarantino-Film entsprungen scheint und walnussbraun gefärbte Haare zu einem gelben Hawaii-Hemd trägt, erfahre ich, dass es in Las Vegas ein Etablissement mit einem Schießstand gegeben hätte, in dem man mit originalen 20er-Jahre Tommy Guns auf Attrappen berühmter Gangster schießen kann. Ich muss mich stark zusammenreißen, um Veikko nicht vorzuschlagen, nochmal zurückzufahren. Nevada ist schon der beste Staat bisher.

Abends erreichen wir Tonopah, der Wind bläst auch dann unvermindert weiter, wenn wir ihn nicht mehr brauchen, sogar noch stärker und böiger, eine Tatsache, der wir mit einem gewissen Missmut begegnen, nämlich, wir wollten in der Picknick-Area des hiesigen Sportparks zelten. Aber jetzt ist es auf einmal ganz unwirtlich, windig, und, Achtung: Kalt! Es ist tatsächlich kalt, nicht kühl oder frisch oder sonstwas, sondern kalt, und wir müssen aus unseren Taschen von ganz unten wieder Dinge herausholen, die wir schon in unseren alten Leben von vor der Wüste zurückgelassen hatten: Pullover, warme Jacke, Halstuch, Handschuhe. Wie Pepe, der Paukerschreck, sagen würde: „Man fasst es nicht!“

Zelten ist eute abend nix, also nisten wir uns in einer windabgewandten Ecke der mit einer Mauer umgebenen Spielerbank des örtlichen Baseballfelds ein, der Wind heult durch die Rabatten wie blöde, aber was solls, dafür ist ein Supermarkt ganz nah und wir kochen abends mit frischen Zutaten. An jedem Tag ist immer irgendwas gut und schlecht, aber so ist das Leben nunmal, wie Schokolade: Es kann süß sein, oder bitter, oder mit Nüssen. Wer errät, aus dem Booklet welcher CD dieser Joke stammt, erhält eine Überraschung 😉  Die Nacht ist nicht so dolle, wegen des Windes, der Kälte und weil wir natürlich immer so ein bisschen damit rechnen müssen, dass uns der Platzwart entdeckt und mit einem Stecken verjagt. Am nächsten Morgen gibt’s schön Kaffee in der Tankstelle, dazu ein Sandwich mit Spiegelei und dann geht’s wieder zurück auf die Straße.

Apropos Straße: Die Straßen hier sind streckenweise sehr lang und gerade, d. h. dass man zum Beispiel eine Kurve, an der die Straße um 10 Grad nach links abknickt und die etwa 20 km weit entfernt ist, ungefähr eine Stunde lang im Blick hat, bis man wirklich an der besagten Stelle ist (bitte ins Bild zoomen).

Dies liegt am Geländeprofil, man fährt immer irgendwie entweder bergauf oder bergab, aber nie mit einer Steigung größer als 0,1 % (Wert geschätzt). Anders als in den Great Plains kann man hier also immer den „Gegenhang“ der Straße sehen, als würde man in ein Tal hineinfahren und dann mit Schwung wieder hinaus, nur dass das Tal so groß ist wie 200 Footballfelder und man selbst so groß wie eine braungebrannte Maus auf einem proportional entsprechend kleinen Fahrrad, und man natürlich null Schwung zum Hochfahren hat. Die Entfernungen hier sind wirklich riesig, die Wüste verwandelt sich in eine leicht bergige, marsähnliche Landschaft, bekannt aus vielen Science-Fiction-Filmen wie „Total Recall“, und man kann nur schwer einschätzen, wie schnell man sich eigentlich wirklich vorwärts bewegt. Kurzum, man fährt sehr lange geradeaus, und im Abstand von etwa einer Stunde kommt mal was, eine Kurve, eine Änderung der Steigung, eine Parkbucht, oder das Highlight: Eine Kreuzung.

Unsere Schlüsselkreuzung ist die Abzweigung des Highway 6 von unserem Highway, denn hier geht’s straight nach Westen, Richtung Grenze zu unserem letzten Staat auf dieser Reise: Kalifornien. Gleichzeitig fahren wir noch auf ein anderes Zwischenziel zu: Die Sierra Nevada, die „winterlichen/verschneiten Berge“, unsere letzte große Hürde vor dem Pazifik. Wir können sogar schon die ersten schneebedeckten Gipfel sehen. Tatsächlich fahren wir eigentlich schon in diese Berge hinein, seit wir Las Vegas verlassen haben, es geht im Prinzip seit Tagen stetig bergauf, jeden Tag fahren wir einen kleinen Pass, und nach dem heutigen steht uns dann nur noch einer bevor, der Tioga-Pass, auf über 3000 m Höhe, und gleichzeitig das Eingangstor zum Yosemite-Park.

Erstmal fahren wir aber von Nevada nach California. Wir sind zwar noch nicht in San Francisco, aber wir haben tatsächlich den letzten Staat erreicht, wir haben die USA schon fast durchquert, über 7000 km auf zwei Fahrrädern zu diesem Zeitpunkt. Wir sind schon ein bisschen stolz und wehmütig, und zur Feier des Tages gönnen wir uns einen richtig schönen Platz für unsere Zelte hinter dem Maschendrahtzaun des Baseballfelds im Stadtpark von Benton. Die Tankstelle hat leider schon zu, deswegen nur Wasser und Knorr-Fertigeintopf zum Abendbrot. Dafür ist der Boden weich und wir haben den ganzen Abend unsere Ruhe und fließend Wasser auf den öffentlichen Toiletten. California, here we are!

Am nächsten Morgen können wir es öffentlich verkünden (auch wenn niemand zuhört): Wir haben die Wüste hinter uns gelassen, wir sind wieder back on track, wieder normale Fahrradfahrer auf normalen Straßen. Es geht über eine wunderschöne, wenig befahrene Nebenstraße durch Berge Richtung Lee Vining, dem Eingangstor in die Sierra Nevada (vgl. dazu Ebermannstadt, das Tor zur Fränkischen Schweiz, ein Titel, den geschätzt hundert andere Ortschaften ebenfalls für sich beanspruchen). Hier kaufen wir Proviant und fahren dann auf den ersten Zeltplatz an der Passstraße. Alle Sorgen sind mittlerweile vergessen, es gibt alles, was das Radlerherz begehrt: Bäume, Schatten, Wasser, Temperaturen unter 45 Grad Celsius. Außerdem kommt unser Zeltplatznachbar Clayton heran und drückt uns zwei Biere in die Hände.

Abend sitzen wir noch mit ihm und seiner Frau Cary am Lagerfeuer und Clayton erzählt uns von der Surf-, Skate- und Punkrock-Szene aus dem Los Angeles der 80er und 90er Jahre. Dazu hören wir Pennywise. Was für ein Abend 😉   Noch besser wird der nächste Morgen, Veikko hat nämlich Geburtstag und die „Nelsons“ singen Happy Birthday, es gibt riesige Schokocookies und Veikko darf eine dreiflammige Mückenkerze auspusten. Der Aufstieg in die Sierra Nevada fängt super an!

Heute erwartet uns der Tioga-Pass, ein echter Hochgebirgspass. Es sieht ein bisschen aus wie in den Alpen, aber irgendwie auch wie in den USA, na klar, so hätte ich mir eigentlich die Rockies vorgestellt! 3000 km nach der Überquerung des Hauptgebirges unserer Reise fahren wir über eine Gebirgskette, die wirklich Eindruck macht. Man kriegt nie, was man will, aber man muss immer wollen, was man kriegt, oder so ähnlich.

Auf jeden Fall erleben wir unsere gesamte Reise nochmal im Schnelldurchlauf, alle Landschaften und Höhenlagen werden uns, je näher wir unserem Ziel kommen, nochmal vorgeführt wie im Abspann eines Nintendospiels. Wir fahren vorbei an schneebedeckten Hängen, an glasklaren Gebirgsseen, an Kiefern-, Fichten- und Redwoodwäldern. Die Straße im Park wird gerade erneuert, es ist eine einzige, riesige Baustelle, und eine nette Parkmitarbeiterin fordert uns auf, an der Ampel unsere Räder und unser Gepäck auf die Ladefläche ihres Trucks zu laden. Kurz vor dem Losfahren flüstere ich ihr noch zu, dass Veikko heute Geburtstag hat, und während wir rumpelnd und staubend bergab fahren, verkündet sie immer wieder per Lautsprecher: „Attention, Attention! Today is Veikkos Birthday!“ Alle am Straßenrand lolen.

Wir fahren durch den Yosemite-Nationalpark, einen der größten, schönsten und ältesten der amerikanischen Nationalparks. Tatsächlich fahren wir lange dahin, auf einer wunderschönen Straße, auf und ab, durch Wälder und an Aussichten aus Granit entlang, wir sehen die berühmten Felsformationen El Capitan und Half Dome (bekannt aus Filmen wie Star Trek V, „The Final Frontier“), bis wir endlich im Yosemite-Village ankommen und dort unser Zelt auf dem Backpacker-Zeltplatz aufbauen. Unser Nachbar Daniel aus Kolumbien spricht hervorragend deutsch und war nicht nur schon in Deutschland, sondern sogar in Erlangen. Zufälle gibt’s, man glaubt es kaum. Leider werden wir am nächsten Vormittag vertrieben, man darf nur eine Nacht ohne Reservierung auf dem Campground bleiben. Zum Glück finden wir aber noch einen freien Platz im historischen „Camp 4“, einer Geburtstätte des modernen Freikletterns und ein Mekka für Boulder- und Free-Solo-Kletterer. Unsere Zelte stehen sogar fast direkt neben dem Columbia-Boulder mit dem „Midnight Lightning“.

Wir beschließen, sogar noch eine dritte Nacht zu bleiben, weil wir unserem Ziel schon so nah sind und uns nun wirklich nicht mehr abhetzen müssen. Heute wollen wir ein bisschen den Park auf den vielen kleinen Wanderwegen erkunden und abends gibt’s dann vielleicht in der Tradition von Kirk, Pille und Spock Marschmelonen am Lagerfeuer.  That’s all, folks, bis zum nächsten Mal!

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Kotti

    Jetzt hab ich mir aber wirklich alles durchgelesen und voll bock Rad zu fahren.
    Ich fahr jetzt mal zum Rewe und hol mir n´ Eis.
    Lg Kotti

  2. Kotti

    Boa Alder des war jetzt aber scho heftig, muß mich grad mal ausruhen.

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