Amerika, das Land der begrenzten Möglichkeiten.

You are currently viewing Amerika, das Land der begrenzten Möglichkeiten.

Hier sitze ich nun, in einem klimatisierten Hotelzimmer in Las Vegas im 23 Stock mit Blick auf den Strip. Die Sicht auf das Cesars Palace und das Bellagio wird nur durch das riesige Hilton Resort verdeckt. Zahlreiche weitere Hotelcasinos erheben sich vor mir aus dem Boden, mitten in der unwirklichsten Gegend die man sich vorstellen kann.

Gestern haben wir uns noch jeden Schluck Wasser vom Mund abgespart und heute genießen wir kühles Bier und in der Ferne sprudeln die gigantischen Springbrunnen vor den Casinos.

Nachdem wir der Hitze durch unseren Ausflug auf die Hochebene am Nordrand des Grand Canyon für zwei Tage entflohen sind ging es leider wieder zurück in die Wüste. Wie eine Oase kam es mir am Grand Canyon vor, wirklich ein sehr schöner Nationalpark. Mit jedem Meter den wir uns von ihm entfernten wurde es wieder wärmer, denn es ging stetig bergab. Langsam verschwanden die Bäume und wir blickten auf eine riesige trockene Ebene, den Grand Staircase in die wir mit 50 km/h hinabrasten, trotz Gegenwind. Die Hügel am Rande der Ebene sind noch gesäumt mit vertrockneten Bäumen die davon zeugen, dass es auch hier einmal kühler und regenreicher war.

Zielsicher steuern wir gegen Abend immer einen Fluss oder ein Wasserreservoir an um uns nach dem Radtag erfrischen zu können. Wir stoppen am Jackson Flat Reservoir in Kanab, der letzten größeren Stadt östlich des Zion Nationalparks.

Beim Frühstück am nächsten Tag werden wir von den ortsansässigen Radfahren noch darauf hingewiesen, dass nach 10 Uhr morgens hier eigentlich niemand mehr Sport macht und wir brechen gerade auf. Kurz hinter Kanab treffen wir auf unseren besten Freund für die nächsten Tage, den Virgin River. Er ist noch ganz klein aber wir können gerade so untertauchen, wenn wir uns flach in den Flusslauf legen.

Über einen kleinen Pass erreichen wir schließlich den östlichen Eingang des Zion Nationalparks. Die nette Rangerin am Eingang winkt uns heran und wir müssen nicht in der Autoschlange stehen. Als sich ein Autofahrer beschwert ruft sie ihm zu: „It’s a lot harder on a bike, you probably have AC!“ Und sie hat recht, es ist sehr heiß, in der Sonne mehr als 40 Grad Celsius. Sofort hinter dem Eingangshäuschen erwartet uns eine lange Abfahrt durch eine spektakuläre Felsenlandschaft die man sie sich großartiger nicht vorstellen kann.

An einem Tunnel, der zum Herz des Nationalparks führt müssen wir stoppen, Fahrräder sind hier nicht erlaubt. Also trampen wir das erste Mal auf dieser Reise. Schon nach 10 Minuten nimmt uns ein Pärchen mit einem Pickup-Truck mit. Ich fahre mit den Rädern und dem Gepäck auf der Ladefläche mit, um aufzupassen, dass nichts herunterfällt.

Der Tunnel ist stockfinster nur alle 500 m kommen wir an Öffnungen vorbei die den Blick auf eine gigantische Kulisse eröffnen. Nach nur 2 Minuten ist die Fahrt vorbei und wir befinden uns im Märchenland des Zion Nationalparks.

Zum Abschied bekommen wir noch 2 eiskalte Flaschen Wasser geschenkt mit denen wir sofort auf unsere Fahrer anstoßen. Auch der Rest der Abfahrt ist einfach toll. Unten im Tal treffen wir wieder auf den Virgin River und wir erfrischen uns ein weiteres Mal inmitten dieser unglaublichen Landschaft.

Und als müssten wir für all die schönen Eindrücke bezahlen erwartete uns nun der beschwerlichste Teil unserer Reise.

Der Campground im Nationalpark schien recht leer, am Einlass versicherte man uns aber, dass alle Plätze reserviert sind und, dass es auch keine Ausnahmen für Radfahrer gäbe. Wir dürfen uns auch nicht an einen der Gruppenzeltplätze dazu stellen, auch nicht wenn da noch Platz ist, es ist einfach eine Regel. Zwar sind wegen der Hitze einige der Camper schon nach Hause gefahren aber so lange sie ihre Reservierung nicht gecancelt haben müssen wir damit rechnen, dass sie zurück kommen. Hier können wir nicht bleiben. Auch am zweiten Zeltplatz haben wir kein Glück. Der Ranger schien bemüht aber er könne nichts für uns tun. Regeln sind nun mal Regeln und Außnahmen werden in den USA nicht gemacht. Auch der dritte Zeltplatz wies uns ab. Wir können aber zum 20 km entfernten „publlic land“ fahren und dort kostenlos zelten, so der Ratschlag der Ranger. Oder ein Hotelzimmer für 300 $ die Nacht… Zähneknirschend entscheiden wir uns nach den Regeln zu handeln und die 300 $ zu sparen und somit auch gegen Wanderungen im Nationalpark. Die muss man eh reservieren und das haben wir nicht gemacht und Ausnahmen gibt es keine, wie wir heute gelernt haben. Der Zeltplatz auf dem public land liegt 4 km in den Bergen, welche wir auf einer schlechten Schotterstraße zurücklegen müssen, natürlich nicht ohne uns noch ein drittes Mal an diesem Tag im Virgin River zu waschen.

Als wir ankommen ist es schon fast dunkel und das Bier was wir gekauft haben ist warm. Es wird eine kurze Nacht und die Schotterstraße neben unseren Zelten wird die ganze Nacht befahren, wir schlafen nicht sonderlich gut.

Am nächsten Tag geht es weiter nach St. George, es werden Vorräte und Wasser nachgefüllt und wir baden im Virgin River, again. Von St. George nach Westen gibt es leider keine andere Möglichkeit als die Interstate 15, in Colorado und South Dakota sind wir ja auch schon Interstate gefahren, so schlimm wird es schon nicht sein. Allerdings haben wir uns da getäuscht, hier verläuft die Interstate durch die Berge, es sind 50 Grad und wir haben sehr starken Gegenwind. Auch ist die Straße viel stärker befahren. Nach 20 km kommt die erste Ausfahrt. Fix und fertig fahren wir ab, erster Stop: Virgin River.

So kann es nicht weitergehen, nachdem wir uns im Fluss erfrischt haben schmieden wir einen neuen Plan. Wir umfahren die nächsten 10 km Interstate und nehmen einen 20 km langen Pass über eine Schotterstraße. Wir warten noch bis die Sonne tiefer steht und starten um 18 Uhr. Die Landschaft ist herrlich, doch die Straße ist schlecht. Die letzten 2 km bergauf müssen wir schieben, da unsere Räder auf dem weichen Untergrund keinen Halt mehr finden.

Oben angekommen wartet die Abfahrt, 10 km über eine der schlechtesten Straßen der USA. Ich kenne ähnliche Straßen schon aus Zentralasien oder vom Mountainbiken, allerdings bin ich diese nie mit einem Randonneur und 28 mm breiten Reifen gefahren. Wir brauchen 3,5 h für die 20 km und als wir wieder Asphalt unter den Rädern haben geht die Sonne bereits unter. Um Andi zu zitieren „Das ist das Beschissenste was ich jemals mit einem Fahrrad gemacht habe!“

Da es dunkel wird müssen wir schnell einen Platz für die Nacht finden, vor dem Campingplatz in Beaver Dam steht ein großen Schild „NO TENTS“, keine Zelte also, schöner Campingplatz ist das, in Amerika ist eben Car-Camping angesagt.

Laut unserer Karte gibt es auch keinen Laden oder sonst etwas in Beaver Dam. Doch plötzlich sehen wir einen Silberstreif am Horizont, in Form eines Neonlichts. Eine alte Tankstelle, die an Stelle der Zapfäulen einen Garten hat mit angrenzender Kneipe. Während ich in der Tankstelle kalte Getränke besorge hat Andi schon Kontakt zu den Einheimischen vor der Kneipe aufgenommen. Es folgt ein kurzes Telefonat mit dem Kneipenbeisitzer und 5 Minuten später bauen wir unsere Zelte auf dem Rasen (man bedenke, wir sind immer noch in der Wüste) hinter der Kneipe auf. Dann gibt es eine Dusche mit dem Wasserschlauch, der Mann vom Foodtruck bewirtet uns mit den Resten des Tages und wir trinken alle „Fat Tire“ Biere, welche die „World Famous Beaver Dam Bar“ auf Lager hat. Wir sitzen noch bis 2 Uhr nachts mit den Einheimischen.

Trotzdem stehen wir früh auf und sitzen um 8 Uhr auf den Rädern. Wir überqueren die Grenze nach Nevada und baden im Virgin River (wo auch sonst). Im Fluss gibt es hier viele kleine Putzerfischchen die einen anknabbern sobald man im Wasser ist, ich weiß nicht ob das gut oder schlecht ist, zumindest ist das Wasser erfrischend. Jetzt müssen wir leider ein weiteres Mal auf die Interstate, allerdings nur 30 km, kaum Steigung, über eine weitere Hochebene. Das Wetter ist erbarmungslos, es hat es schon wieder 50 Grad in der Sonne und wir haben sehr starken Gegenwind mit Böen bis 50 km/h. Nach 20 km rasten wir unter einer Autobahnbrücke.

Auf den 30 km trinke ich 6 l Wasser und wir brauchen über 3 h. Außerdem ist all unser Wasser extrem warm und es fühlt sich an als würde man Tee trinken. Wir sehnen uns jedes Mal nach der nächsten Tankstelle und gekühlten Getränken. Die Wüste ist nicht gut zu uns. Zu allem Überfluss fahren wir nicht mehr am Virgin River aber an unserer Strecke liegt das Bowman Reservoir in dem wir uns abkühlen können. Nach 3 Softdrinks und eiskaltem Obstsalat an der nächsten Tankstelle nehmen wir die letzte Etappe des Tages in Angriff. Zu einer Quelle im Valley of Fire sind es noch 30 km. Da wir immer noch 50 km/h Gegenwind haben kommen wir erst gegen 10 Uhr dort an. Die Fahrt im Mondlicht bei 37 Grad ist sehr schön aber auch zermürbend.

Leider leben in der Quelle gefährliche Bakterien und wir können nicht richtig dort baden, da das Wasser nicht ins Gesicht gelangen darf. Trinkwasser auffüllen ist also auch nicht möglich. Ich schlafe ohne Zelt auf einen der Tische um vor den Schlagen und Skorpionen sicher zu sein.

Der Wind hält uns die ganze Nacht wach. Wir starten um 6 Uhr zum Sonnenaufgang, es ist sehr beschwerlich, da wir immer noch Gegenwind haben, aber gegen 12 Uhr mittags erreichen wir die ersten Außenbezirke von Las Vegas.

Hier versorgt uns eine Rangerstation mit frischem Wasser und wir buchen ein Zimmer im Plaza Hotel.

Die Kontraste die wir in den letzten Tagen erlebt haben könnten nicht größer sein. Heute haben wir fast 12 Stunden geschlafen und genießen einen Ruhetag im Hotel, eventuell geht es gleich noch in den Pool und abends auf den Strip. Noch haben wir das Hotel jedoch noch nicht verlassen und es ist bereits 6 Uhr abends.


Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Mogg

    Da war der Parenzana-Radweg ja ein ein Klacks gegenüber dieser Schotterstraße!

  2. Ewald Sauger

    Leck mich am SACK!!! Genießen Sie Vegas, gewinnen Sie beim Leprechaun, Sie haben es sich redlich verdient!

  3. Helga

    Der Wahnsinn … so tolle Fotos, aber welch Strapazen …. Chapeau!!! Hoffentlich sind die kommenden Routen nur noch angenehmst!

  4. BNO

    Die richtige Location für ein bisschen yawning man?

  5. Ronna

    I’m sorry you experienced since hot weather, but that is our southwest. Jeff and I used to live in Phoenix. Vegas is quite the contrast, huh?

Schreibe einen Kommentar