Was tun, wenn’s…

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…knallt, klemmt, schleift, quietscht oder reißt?

Dann muss man anhalten und zusehen, dass man wieder weiterfahren kann. Auf einer langen Reise mit vielen Kilometern täglich, auf Straßen mit wechselnder Qualität, kann einiges passieren – die Gelegenheiten häufen sich unterwegs ganz einfach und man kann auch nicht immer mit voller Aufmerksamkeit jedes noch so kleine Scherbenstück entdecken. Zuhause, im Alltagsverkehr, ist ein platter Schlauch ziemlich ärgerlich, meistens kann man sein Ziel aber trotzdem noch auf irgend eine andere Art erreichen. Auf einer Radreise ist man schon deutlich mehr darauf angewiesen, dass man kleinere und größere Defekte selbst reparieren kann, schließlich ist das Fahrrad in dieser Situation mehr als nur ein Verkehrsmittel, es ist ein essentieller Teil der gesamten Unternehmung – das Fahrradfahren ist hier ja tatsächlich Selbstzweck.

So eine Panne kann richtig ärgerlich sein, und der dritte Platten am gleichen Tag, an einer dicht befahrenen Straße, wahlweise in sengender Sonne oder in strömendem Regen, kann zarte Gemüter durchaus schonmal überfordern. Ich persönlich bin ja nun ein extrem geduldiger Typ und lasse mich von kleineren Missgeschicken auch im Alltag nicht so schnell aus der Bahn werfen. Egal, ob ich mir mit dem Hammer auf die Finger haue, ob der neue Gewindeschneider abbricht oder ob das extra angefertigte M3-Schräubchen in die Fußbodenritzen kullert: Ich bleibe tiefenentspannt und gewiss werde ich nicht 1 Kraftausdruck rufen.

Eine Abbildung aus dem hervorragenden Buch „Mit dem Rad durch zwei Jahrhunderte“

 

Deshalb habe ich auch keine Sorge vor dem statistisch absolut möglichen Fall einer Panne unterwegs. Auf längeren Radtouren habe ich immer ein Standard-Werkzeugset dabei, bestehend aus Ersatzschlauch, Flicken, Pumpe, Schalt-/Bremszug und Multitool. Dazu ein paar Kabelbinder, Schrauben und Muttern. Damit bin ich bisher immer gut ausgekommen und hatte nie das Gefühl, schlecht ausgerüstet zu sein. Allerdings ging es da um Touren von maximal zwei Wochen in Europa, wo die nächstgrößere Stadt mit Ersatzteilversorgung immer in greifbarer Nähe ist. Auf einer dreimonatigen Tour durch die USA, durch teilweise sehr dünn besiedelte Gebiete, mit nur sporadisch verteilten Fahrradläden, ist die Gefahr, bei einer Panne aufgeschmissen zu sein, doch größer. Also habe ich meine „mobile Werkstatt“ bei dieser Gelegenheit deutlich aufgestockt. Bisher hatte ich immer einen kleinen Stoffbeutel mit Werkzeug, aber da musste ich immer alles ausleeren und ewig rumkramen, das hat mich schon lange genervt, und das Werkzeug liegt immer irgendwo im Schmutz. Das Auge schraubt schließlich mit, also habe ich mich auf die Suche nach einem vernünftigen Werkzeugtäschchen/-köfferchen für unterwegs gemacht. Fertig zu kaufen gibt es allerdings nichts, was mich sowohl von der Funktion, der Größe als auch von der Leistung her überzeugt hätte. In einem Musem habe ich mal eine kleine historische Reiseapotheke für Expeditionen in die Tropen gesehn.

Genau sowas wollte ich gern für Werkzeug und Ersatzteile haben. Nach längerer Suche bin ich auf die Idee gekommen, ein altes Schul-Federmäppchen (gebraucht im Internet für 3 Euro erworben) für meine Zwecke umzugestalten, und damit bin ich sehr glücklich. Meine aktuelle Reisewerkstatt sieht jetzt so aus:

Ist das vernünftig oder schon overequipped? Vermutlich letzteres, aber das Gefühl, unterwegs fast alles reparieren zu können, ist schon irgendwie recht angenehm. Mich entspannt es zumindest sehr. Und als Fahrradmechaniker gehört es für mich auch ein klein wenig zum Berufsethos, werkzeugmäßig gut aufgestellt zu sein. Vielleicht braucht ja auch irgend ein anderer Reiseradler auf der Straße mal Hilfe, dann kann ich gleich zur Völkerverständigung beitragen. Worldpeace and spareparts sozusagen. Ich denke, mit dieser Auswahl bin ich in der Lage, bis auf Achsbruch und Tretlagerschaden fast alles unterwegs wieder soweit zu reparieren oder einzustellen, um zumindest bis zur nächsten Werkstatt zu kommen. Vermutlich werde sowieso keine Probleme haben, aber das ist wie mit einer Reiseversicherung: Man braucht sie in den allermeisten Fällen nicht, aber ohne ist auch doof.

Wen es interessiert, hier ist noch eine Auflistung mit dem Inhalt meiner Werkzeugtasche:

Tasche
– Hersteller „Coocazoo“, Größe ca. 23x12x7 cm

Werkzeug
– Multitool
– Mini-Leatherman
– kleine Schraubenschlüssel
– Kettenschlosszange inkl. Mantelheber
– Speichenschlüssel

Ersatzteile
– zwei Schläuche
– je zwei Brems- und Schaltzüge mit Endkappen
– div. Schrauben, Muttern und Unterlegscheiben
– Kabelbinder
– Nähset, Sicherheitsnadeln
– Flickzeug
– Felgenband
– Isolierband
– Stück Kabel, Steckschuhe, Schrumpfschlauch
– Plastiktütchen
– Kettenschlösser
– Ventileinsätze
– Plastiktütchen/Gummiringe
– alter Socken (Handschuh, Lappen)

nicht in der Tasche
– Pumpe
– Bremsklötze
– Speichen mit Nippeln
– Ersatzkette

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Veikko

    Und ich dachte immer ich bin der geduldigere Typ von uns beiden.

  2. Manfred Schmidt

    Hallo ihr beiden,
    ich habe von Euren Vorhaben in der Zeitung gelesen und verfolge Euren Blog sehr gerne mit. Ich habe diese Tour, welche ihr vorhabt, vor 6 Jahren alleine absolviert. Da kommen viele Erinnerungen wieder hoch. Vielleicht hilft Euch mein Blog von damals bei der einen oder anderen Vorbereitung oder auch bei den Schwierigkeiten der eigentlichen Tour. Hier der Link: https://www.manfred-coast-to-coast.com/ .
    LG Manfred Schmidt aus Buckenhof

  3. Andi

    Hallo Manfred, dein Blog ist klasse! Werde ich mir noch als letzte Einstimmung zu Gemüte führen.
    Wir wohnen beide auch in Buckenhof, vielleicht können wir uns im Sommer nach der Reise mal auf ein Bierchen treffen und Erinnerungen austauschen! 🙂

  4. Kotti

    Jo ihr beiden, ich warte …
    bei uns schneit es, ich warte… 🙂

  5. Reinhard Neder

    Ja, das Pflaster auf vielen (Neben-)Straßen in den USA ist rauer als bei uns. Wir hatte seinerzeit (1985) recht dicke Reifen, die in der Mitte eine verstärkte Laufleiste hatten. Damit war die Zahl der Platten erträglich. Gerade im mittleren Westen sucht man einen Fahrradladen schon vergeblich und Autonomie ist ein Muss.
    Viele Grüße aus Adelsdorf
    Reinhard

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